Die Geschichte vom alten Postrad – der Ur-Ur-Enkel erzählt
Mein Name ist Alfred Waibel, ich komme aus Ailingen, einem heutigen Stadtteil von Friedrichshafen am Bodensee. Mein Ur-Ur-Großvater ist Joseph Zink der damalige Postbote von Wolfertschwenden zu dem das berüchtigte historische Postrad gehört.
Ich habe die Wurzeln in Wolfertschwenden durch meine Mutter Walburga Waibel geb. Baur, ihre Eltern waren Monika und Xaver Baur vom früheren Wirtshaus Adler.
Bei einem Gespräch mit eurer Bürgermeisterin Frau Ullrich, das ich im letzten Jahre hatte, hat Sie so ganz nebenbei erwähnt, dass Wolfertschwenden ein kleines aber feines Heimatmuseum hätte. Der Standort wäre in Niederdorf. Das besondere Exponat wäre das Postrad von Joseph Zink.
Hier wurde ich hellwach und war sehr überrascht, denn bei meinem Schulbesuch im Jahre 1948 in Wolfertschwenden in der Klasse 1-4 hatte unsere damalige Lehrerin Frau Fischer erklärt, dass dieses Postrad bei einem Luftangriff auf das Deutsche Museum in München zerstört worden sei.
Somit war dieses Thema für mich damals abgehakt. Wahrscheinlich war das Postrad wie so viele andere Ausstellungs- Gegenstände auch, an einem sicheren Ort ausgelagert.
Nun meine Freude war natürlich riesengroß, als ich diese unerwartete und überraschende Nachricht vernommen habe. Ich war begeistert, als ich das Postrad im Museum in Niederdorf zum ersten Mal gesehen habe. Eine großartige Konstruktion und eine gediegene Arbeit der beteiligten Handwerker, wie Drechsler, Wagner (Wanger) und Schmied. Allen voran muss der Joseph Zink ein begnadeter Tüftler oder ein Mächlar gewesen sein, wie Ihr Allgäuer auch zu sagen pflegt.
Joseph Zink, mein Ur-Ur-Großvater mütterlicherseits wurde am 26. März 1832 in Aletshausen bei Krumbach / Schwaben als drittes von 10 Kindern geboren.
Am 27. Mai 1861 hat er Anna Maria Spiegel geheiratet, von Beruf war sie Hebamme. Sie war die Tochter von Georg und Helena Spiegel, die einen Krämerladen im Haus Nummer 56, in der späteren Wirtschaft zum Adler betrieben haben.
Joseph Zink arbeitete wohl nicht, oder vielleicht nur bei Bedarf bei seinen Schwiegereltern, ansonsten arbeitete er als Postbote. Das hat sich für ihn wahrscheinlich so ergeben, weil in unmittelbarer Nachbarschaft seit um das Jahr 1800 die offizielle Posthalterei bei der Familie Dodel war. Wie mir Max Dodel der gebürtige Wolfertschwender, der heute in Neu Ulm lebt, freundlicherweise erklärte und mich informierte, hat sein Vorfahre Joseph Dodel im Jahre 1820 die Posthalterei übernommen und als erster im Ort den Titel „Königlicher Bayerischer Posthalter“ getragen hat. Im Pferdestall von Joseph Dodel sollen 22 Postgäule gestanden haben, die zum Bespannen der Postkutschen vorgehalten wurden. Dazu gehörte natürlich auch die Wirtschaft mit einem größeren Beherbergungsbetrieb.
Nun zurück zum Königlich Bayerischen Postboten Joseph Zink. Er musste drei Mal die Woche seine Post zustellen. Der dabei zurückgelegte Weg soll um die 32 Kilometer gewesen sein. Diese lange Wegstrecke war offensichtlich der Antrieb, um sich eine Erleichterung zu schaffen. So ist dann nach sicher manch schlafloser Nacht für die damalige Zeit die geniale Erfindung des Postrades entstanden. Sehr raffiniert ist dabei die Kinematik der Kraftübertragung von den Händen auf die Räder. Die Umsetzung seiner Idee mit verschiedenen Handwerkern ist als eine besonders bewundernswerte Gemeinschaftsleistung zu werten.
Joseph Zink hat bei Ausübung seines Dienstes wohl sehr bald gemerkt, dass er so ganz nebenbei eine Nachrichtenbörse war und viel Kommunikation ausgetauscht wurde. Das hat ihn wohl veranlasst einen Ort zu schaffen wo die Menschen die Nachrichten austauschen konnten, ma isch nuis inne wore, ein Ausdruck wie man ihn ins besonders von der älteren Generation im Unterallgäu immer wieder zu hören bekommt. Dies war die Geburtsstunde im Jahre 1869 zur Einrichtung einer kleinen Kneipe im Hause seiner Schwiegereltern Georg und Helena Spiegel. Die Wirtschaft muss offensichtlich so gut angenommen worden sein, dass schon im Jahre 1874 eine Erweiterung der Gasträume mit Nebenzimmer, Saal und Kegelbahn erfolgte. Fortan hieß die untere Wirtschaft zum Adler. Joseph Zink ist im Jahre 1895 und seine Frau Anna Maria im Jahre 1904 in Wolfertschwenden verstorben. Sie haben hier auch ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Nun wieder zurück zum eigentlichen Thema. Anfang der 50 er Jahre bekam ich von meiner Großmutter Monika Baur zwei großformatige Gemälde, die Joseph Zink und seine Frau Anna Maria darstellen, gemalt im Jahre 1891 von einem Münchner Maler namens Veit Reisacher. Ich konnte damals die Gemälde nicht so richtig einordnen.
Doch irgendwann habe ich geahnt, dass die Malerfamilie Reisacher vielleicht damit etwas zu tun haben könnte, denn wie könnte sonst Joseph Zink an einen Münchener Maler kommen. Durch meine Neugierde genährt bin ich auf die direkte Nachfahrin der Reisachers, auf die Frau Kirmse gestoßen. So habe ich von kompetenter Seite erfahren, dass die aus Wolfertschwenden stammenden Maler Veit Reisacher (auch Vitus genannt) und der noch bekanntere Bruder Sylvester in der erlauchten Münchener Künstlergilde eingetragenen waren.
So kam mir die Idee, von den beiden Bildern, die im Treppenhaus eines alten Pfarrhauses aus dem Jahre 1791 in Karlsruhe-Stupferich einen würdigen Platz gefunden haben, Fotos machen zu lassen. Unsere älteste Tochter ist richtig stolz auf diese Bilder ihres schöpferischen Vorfahrens und seiner Frau. Ich denke, diese Bilder sind eine Ergänzung zum Postrad und zieren nun das Heimathaus in Niederdorf.
Quelle & Copyright: Alfred Waibel